Sie sind aus unserer Landschaft nicht mehr wegzudenken: die großen runden, in bunte Folie eigewickelten, Ballen. Denn immer häufiger wird in der Pferdehaltung Heulage anstelle von Heu gefüttert. Doch was für Landwirte günstiger und für viele Pferde mit Atemwegsproblemen zunächst als großartige, staubfreie Rettung erscheint, ist bei näherer Betrachtung ein Desaster und Ursache für sehr viele gesundheitliche Schwierigkeiten. Darunter auch solche, die auf den ersten Blick rein gar nichts mit der Fütterung zu tun haben.
Gute Heulage, schlechte Heulage?
Was für Landwirte günstiger und für viele Pferde mit Atemwegsproblemen zunächst als großartige, staubfreie Rettung erscheint, ist bei näherer Betrachtung ein Desaster und Ursache für sehr viele gesundheitliche Schwierigkeiten.
Doch was genau ist Heulage eigentlich?
Wird Gras gemäht und dann einfach liegen gelassen, fault es. Um Gras zu konservieren gibt es folgende Möglichkeiten:
- Trocknung: Beim „Heumachen“ wird Gras nach der Mahd für 3-4 Tage bei Sonne getrocknet und dabei mehrmals gewendet, bis es nur noch eine Restfeuchte von max. 15 % besitzt. Fast immer ein Wettlauf mit dem Wetter.
- Silierung: Das geschnittene Gras wird gepresst und luftdicht in Folie verpackt. Bei der Herstellung von Gras-Silage wird das geschnittene Gras direkt verpackt. Gras-Silage, mit einer Restfeuchte von 55-70%, findet hauptsächlich in der Rinderfütterung Verwendung. An Pferde wird in der Regel die trockenere Heulage verfüttert. Dafür wird das gemähte Gras vor dem Verpacken zunächst noch auf der Wiese angetrocknet, so dass eine Restfeuchte von 15 bis 50 % erreicht wird.
Unter vollständigem Luftabschluss findet dann die Silierung statt. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Milchsäuregärung, ähnlich der Herstellung von Sauerkraut. Milchsäurebakterien, die natürlicherweise auf Gräsern vorkommen, wandeln Zucker in Milchsäure um. Das Milieu im Ballen wird dadurch angesäuert, so dass sich die Milchsäurebakterien stark vermehren können. Möglichst schnell soll ein pH-Wert von 4,5 bis 4,0 erreicht werden, denn erst dann tritt die sogenannte Keimruhe ein, bei der fäulniserregende Keime und krankheitserregende Clostridien im Wachstum gestoppt werden oder absterben. Das so konservierte Gras ist nun für einige Monate lagerfähig.
Für eine saubere Silierung sind demnach folgende Voraussetzungen optimal:
Kompletter Luftabschluss, hoher Gehalt an Zucker und Proteinen, dazu ausreichend Feuchtigkeit. Das ist bei Kuhsilage aus jungem Gras mit hohem Wassergehalt gut möglich; bei Heulage, die auf die Bedürfnisse der Pferde angepasst werden sollte, ist dies fast nicht realisierbar.
Hier nur einige der Schwierigkeiten, die sich bei der Herstellung von Heulage ergeben: Der Rohfasergehalt im Raufutter ist für Pferde immens wichtig und sollte möglichst hoch sein, weswegen das Gras für Heulage später, also etwa zum gleichen Zeitpunkt wie bei Heu, geschnitten wird. Dies führt allerdings bereits an den Gräsern auf der Wiese zu stärkerer Verpilzung und höherer Belastung mit weiteren Keimen. Die festen Stängel können leichter die Ballenfolie zerstören. Sie sind sperriger und der Ballen lässt sich nicht gut verdichten, so dass mehr Luft eingeschlossen wird. Die Ballen müssen mit noch mehr Lagen Folie (mindestens 8 bis 16) umschlossen werden. Welch eine Müllmenge!
Bereits bei einer Restfeuchte von 50% gibt es Probleme beim Verdichten des Materials. Durch den geringeren Zucker- und Wasser- sowie höheren Raufasergehalt werden die Vermehrung der Milchsäurebakterien und damit die Silierung deutlich verlangsamt. Der für die Konservierung erforderliche niedrige pH-Wert wird nicht erreicht. Durch den höheren Lufteinschluss wird zusätzlich die Vermehrung unerwünschter fäulniserregender Keime gefördert. Es kommt zu Fehlgärungen. Das Wachstum von Schimmelpilzen ist unter diesen Umständen garantiert. Sie produzieren Gifte (Mycotoxine), die für Pferde schädlich sind, sie schleichend vergiften und den Stoffwechsel stark belasten. Daher sollte auch ein angebrochener Ballen temperaturabhängig innerhalb von etwa zwei Tagen verbraucht werden.
Die Belastung und die Eignung der Heulage als Futtermittel lassen sich, im Gegensatz zu Heu, kaum optisch oder durch Geruch zuverlässig prüfen; dies ist nur im Labor möglich. Vor dem Füttern wäre eine Analyse jedes einzelnen Ballens nötig.
Sehr häufig hören wir als Argument: Wir haben aber sehr gute Heulage, die ist fast so trocken wie Heu! Jetzt wissen Sie es besser: Gerade besonders trockene Heulage kann keine gute Heulage sein.
Die Realität zeigt: die Mehrzahl, der im Labor untersuchten Proben, weist einen Restfeuchtegehalt von 10 bis 40% auf. Zur Erinnerung: Für den Silierungsprozess sind mindestens 45% optimal; Heu hat eine Restfeuchte von durchschnittlich 15%.
Und wie sieht es mit optimal hergestellter und hygienisch einwandfreier Heulage aus (in der Praxis nur sehr selten)? Ist diese für mein Pferd eine gute Raufutterversorgung? Nein: Selbst optimal hergestellte und hygienisch einwandfreie Heulage ist für Pferde nicht geeignet.
Pferde zählen zu den futtermäßig empfindlichsten Säugetieren überhaupt. Bei der Fütterung von Heulage gelangen große Mengen an Milchsäurebakterien in den Verdauungstrakt. Im natürlichen und gesunden Magen-Darm-Trakt des Pferdes kommen Milchsäurebakterien nur in kleinsten Mengen vor, und dann hauptsächlich im Magen. Ja, richtig gelesen: im Magen. Genauer gesagt: im Anfangsbereich des Magens, dem Saccus caecus. Dort findet durch eine geringe Anzahl an Mikroorganismen, vor allem Milchsäurebakterien, bei einem pH-Wert zwischen 6 und 7, durch Gärung (Fermentation) eine Vorverdauung leicht verdaulicher Kohlenhydrate, wie Einfachzucker und Stärke, statt. Dabei entstehen Milch- und andere Säuren, die den Magensaft weiter ansäuern. Ist die Zahl der Milchsäurebakterien jedoch stark überhöht, gelangen diese auch in den Dünn- und Dickdarm, verändern das Darmmilieu und stören den Verdauungsvorgang. Durch Ansäuern kommt es zu Entzündungen der Schleimhäute, zu Durchfall, Kotwasser oder sauer stinkendem Kot.
Pferde sind von Natur aus an faserreiches, nährstoffarmes Raufutter angepasst. Bei einem artgerecht gefütterten Pferd machen Zellulose abbauende Mikroorganismen den Hauptanteil der Dickdarmflora aus. Der pH-Wert liegt mit 6,9 im neutralen Bereich. Sie liefern dem Pferd durch Abbau der Heu-Fasern leicht flüchtige Fettsäuren, seine Hauptenergiequelle.
Die mit der Heulage eingebrachten Milchsäurebakterien und die von ihnen gebildete Milchsäure führen zu einem Absinken des pH-Wertes im Dickdarm, so dass sich die Milchsäurebakterien in der Folge noch besser vermehren können. Unglücklicherweise ein sich selbst verstärkender Prozess. In dem sauren Milieu fühlen sich die Zellulose abbauenden Mikroorganismen nicht wohl und können sich nicht vermehren. Die natürliche Darmflora stirbt ab. Eine auf diese Art verschobene Darmflora kann die Raufasern nicht mehr optimal verwerten. Die Milchsäurebakterien verwerten zwar Kohlenhydrate und Proteine, bilden dabei allerdings hauptsächlich Milchsäure, welche nicht zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Milchsäure muss zunächst in der Leber unter Sauerstoffverbrauch zu Glucose umgebaut werden. Energiemangel ist die Folge und eine immense Mehrbelastung für die Leber. Das Argument, Heulage sei bereits „vorverdaut“ und entlaste dadurch den Verdauungsprozess, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Obwohl also die Energie- und Proteinwerte von Heulage verlockend aussehen, ist die Energie eher schädlich als nützlich. Die hohe Verdaulichkeit silierter Produkte steht der Anpassung des Dauerfressers Pferd an nährstoffarmes Futter und der steigenden Anzahl übergewichtiger Pferde und Ponys gegenüber.
Neben flüchtigen Fettsäuren zur Energiegewinnung produziert die gesunde Darmflora essenzielle Aminosäuren und eine extrem große Menge an wichtigen Vitaminen (B und K); dies können Milchsäurebakterien nicht. Es kommt zu deren Mangel, welcher erhebliche Auswirkungen auf viele Stoffwechselvorgänge hat. Stoffwechselstörungen wie KPU (Kryptopyrrolurie), EMS (Equines Metabolisches Syndrom) und Pseudo-Cushing werden begünstigt.
Heulage ist für viele Pferdebesitzer letzte Rettung und Allheilmittel gegen Husten bei sogenannten Heustauballergikern. Der Staub bzw. die Schimmelsporen werden allerdings nur durch die Feuchtigkeit gebunden, wodurch der Hustenreiz reduziert wird. Damit wird nur das Symptom Husten behandelt; das Pferd fängt wieder an zu husten, sobald ihm Heu gefüttert wird. Die Ursache wird nicht beseitigt. Im Gegenteil, die Schädigung der Atemwege kann sich währenddessen unbemerkt verschlimmert haben. Durch die säurehaltigen Gase der Heulage und durch kompensatorische Atmung, um der Übersäuerung entgegenzuwirken.
Heulage ist immer sauer. Durch die tägliche Fütterung wird dauerhaft nicht nur der Magen-Darm-Trakt übersäuert, sondern der gesamte Körper. Bereits beim Kauen werden die Zähne durch die Säure angegriffen. Der Körper versucht der Übersäuerung entgegenzuwirken, zur Neutralisation von Säuren benötigt der Körper verschiedene Mineralstoffe und Spurenelemente, die Nieren sind im Dauereinsatz, im Bindegewebe wird Wasser zurückgehalten. Die Pferde scheinen gut bemuskelt oder wohlgenährt, sind aber tatsächlich lymphatisch aufgeschwemmt. Die Liste der (möglichen) Folgen einer Übersäuerung (Azidose) ist lang: Mauke, Muskelverspannungen, Leistungsschwäche, Einschuss, Ekzeme, Hufrehe, Kolik, Unlust, Hyperaktivität, übermäßiges Schwitzen, Schaumbildung, chronisches Husten, Therapieresistenz, nicht abheilende Wunden u.v.m. Alles Symptome oder Krankheiten, die meist nicht in den direkten Zusammenhang mit der Fütterung gebracht werden.
Auch für nachkommende Generationen bleibt eine Heulage-Fütterung nicht ohne Folgen: Fohlen kommen ohne funktionierende Darmflora auf die Welt. Die benötigten Bakterien werden in den ersten Lebensmonaten durch Fressen des Kots der Mutterstute angesiedelt. Auch das Immunsystem wird in dieser Zeit aufgebaut. Über 70 % der Immunzellen sitzen im Darm. Sind die Äppel der Stute nicht mit den entsprechenden Bakterien ausgestattet, wird das Fohlen zeitlebens Schwierigkeiten mit seinem Stoffwechsel haben bzw. dieser sehr sensibel sein.
Die tatsächlichen Vorteile von Heulage gegenüber Heu sind: eine weniger wetterabhängige Herstellung, schnellere und effizientere Verarbeitung und deutlich einfachere Lagerung. Die Vorteile liegen damit fast ausschließlich auf Seiten der Landwirte.
Da Heulage mehr Wasser als Heu enthält, muss von Heulage eine größere Menge gefüttert werden, um auf die benötigte Menge an Fasern zu kommen. Ein 600 kg schweres Pferd benötigt demnach täglich mindestens 17-21 kg, wenn es kein Gras bekommt. Allerdings ist Heulage oft energiereicher als Heu, da für eine optimale Silierung zuckerreiche, kräuterreduzierte Hochleistungsgräser benötigt werden, welche für Pferde generell zu gehaltvoll sind.
Hochwertige Heulage hat eine grüne, dem Heu sehr ähnliche, Farbe. Zeigen sich weißer oder grauer Schimmel bzw. Schimmelnester, muss der gesamte Ballen entsorgt werden. Sollte aufgrund von Heu-Knappheit eine Fütterung mit Heulage bis zur kommenden Ernte unumgänglich sein, empfehlen wir frühzeitig auf eine Fütterung im Verhältnis von 50:50 Heu zu Heulage umzusteigen, was deutlich vorteilhafter ist, als eine reine Heulage-Fütterung.
Gutes Heu ist und bleibt die Grundlage für die gesunde Fütterung eines Pferdes!
Folgen von Heulage-Fütterung für das Pferd:
- Energiemangel durch schlechte Kohlenhydratausbeute; Zellulose kann nicht verdaut werden
- Müdigkeit und Leistungsabfall
- Übersäuerung des Darms und des Bindegewebes
- Darmschleimhautentzündungen durch niedrigen pH-Wert
- starke Belastung von Leber und Nieren durch abgetötete Darmsymbionten, Schimmelgifte und Milchsäure
- Vitaminmangel durch zerstörte Darmflora
- schleichende Entmineralisierung, Mineralien werden verbraucht, um Übersäuerung entgegen zu wirken
- Stoffwechselstörungen werden begünstigt
- Entstehung von Strahlfäule, Durchfall, Kotwasser, Blähungen, angelaufenen Beinen, Ödemen, Herzkreislauferkrankungen, COPD und anderen Krankheiten (s. o.)
- Gefahr durch Botulismus
Quellen:
- Pferde fit füttern: Wie ich mein Pferd artgerecht ernähre - Dr. Christina Fritz, Cadmos, 2012
- Zivilisationskrankheiten des Pferdes - Dr. Christina Fritz, Sonntag, 2016
- Die Stoffwechselstrategie: Das Konzept für gesunde Pferde - Marion Schwaller-Barina, Dr. med. vet. Evi Koeppl, Maro 2015
- Heulage - wie verträglich fürs Pferd? Mag. Christoph Kornberger aus natural horse Spezial Pferdefütterung 2016
- Silage - das Unfutter - www.dr-susanne-weyrauch.de
- Bachelor-Thesis: Einfluss verschiedener Silierfehler auf die Silagequalität auf Qualitätsmerkmale von Silagen aus Herbstaufwüchsen - Caroline Gries, Justus-Liebig-Universität Giessen, 2008
- Praxishandbuch Pferdegesundheit - Ingolf Bender, Dr. Tina Ritter, Kosmos, 2018