Wie sehen Pferde – und erkennen sie Farben?

In vielen Studien ist man dieser Frage nachgegangen

In vielen Studien ist man dieser Frage nachgegangen. Immerhin ein Thema, das von großer Bedeutung ist für das Verhalten des Pferdes im Alltag und im Training.

Die Erkenntnis, dass Pferde offenbar Blau und Gelb erkennen können, diese Farben vergleichbar dem Menschen wahrnehmen können, hat zur ‚Erfindung‘ der sogenannten Dualschläuche geführt. Die in Blau und Gelb gehaltenen Schaumstoffschläuche werden für das sogenannte Gassentraining und in der Equikinetic beim Training mit Pferden eingesetzt.
Auch für den Springsport wäre es interessant zu wissen, ob Pferde bestimmte Farben deutlicher erkennen als andere Farben. Insbesondere junge oder unerfahrene Pferde können Hindernisse natürlich besser bewältigen, wenn sie diese auch farblich deutlich erkennen.

Pferde sind grasende Flucht- und Beutetiere. Als Anpassung an diese spezielle Lebensweise haben ihre Augen im Laufe der Evolution Besonderheiten entwickelt: Die seitliche Anordnung der Augen und die Horizontalform der Pupillen ermöglichen den Pferden eine fast komplette Rundumsicht. Lediglich den Bereich direkt hinter der Hinterhand und vor der Stirn kann das Pferd nicht einsehen. Daher sollte man sich Pferden z. B. immer seitlich nähern.

Was Pferde nur mit einem Auge sehen, nehmen sie unscharf wahr. Aus diesem Grund ist das seitliche Gesichtsfeld des Pferdes, das immerhin ca. 145˚ je Seite umfasst, nicht deutlich für die Tiere zu sehen. Scharf und räumlich ist bei gerader Kopfhaltung und Schauen mit beiden Augen (binokulares Sehen) nur ein kleiner Bereich von 65˚ zu erkennen. Pferde können diesen Mangel jedoch durch Seitwärtsdrehen ihres Kopfes gut ausgleichen.
Pferde neigen zur Weitsichtigkeit. Was ja durchaus Sinn macht, um Raubtiere auf Entfernung deutlich erkennen zu können. Im Gegensatz zum Menschen besitzen Pferde wegen ihrer weniger flexiblen Linse ein geringeres Akkomodationsvermögen (Fähigkeit des Auges, sich auf Gegenstände im Nahbereich genauso scharf einstellen zu können wie auf entferntere). Im Nahbereich unterstützen sie diese Anpassung durch Veränderung der Kopf- bzw. Halshaltung (z. B. Heben des Kopfes vor einem Hindernis).
Auch die Adaptationsfähigkeit (die Reaktion auf den Wechsel Hell/Dunkel und die Anpassung an Dunkelheit) ist geringer ausgeprägt als beim Menschen.

Und warum haben viele Pferde Angst vor Pfützen?

Pferde besitzen eine kleinere Anzahl sogenannter Stäbchen (Sinneszellen der Netzhaut, die Helligkeitsunterschiede vermitteln und Dämmerungs- bzw. Nachtsehen unterstützen) als beispielsweise der Mensch. Vermutlich erscheinen ihnen dunklere Flächen – so z. B. auch Schatten – viel bedrohlicher dunkel als wir Menschen entsprechende Kontraste wahrnehmen.
Bei schwachen Lichtverhältnissen können Pferde allerdings besser sehen als wir. Der Grund: Das Tapetum lucidum (reflektierende Schicht hinter oder inmitten der Netzhaut) verstärkt die Lichtreflexionen.
Auffällig – und für den Reiter manchmal anstrengend – ist das ausgeprägte Bewegungssehen der Pferde. Schon kleinste Bewegungen seitlich oder seitlich hinten vom Pferd können die Tiere wahrnehmen und dementsprechend „überreagieren“ und scheuen.

Eine weitere Besonderheit: Pferdeaugen arbeiten unabhängig voneinander. Hat sich das Pferd (beim Reiten, Spazierengehen) an einen Gegenstand auf einer Seite gewöhnt, kann dieser Gegenstand – von der anderen Seite wahrgenommen – ein völlig neues "Ungeheuer" sein. Das Pferd verarbeitet wahrgenommene Objekte nämlich nicht wie der Mensch in beiden Gehirnhälften, sondern nur in einer Gehirnhälfte.

Können Pferde Farben sehen?

Pferde können offensichtlich einige Farben erkennen und voneinander unterscheiden. So die Versuchsergebnisse etlicher Studien.
Farben werden über Fotorezeptoren der Netzhaut (Zapfen) wahrgenommen. Der Mensch besitzt drei Zapfentypen (Kurzwellen-Zapfen als Blaurezeptor, Mittelwellen-Zapfen als Grünrezeptor, Langwellen-Zapfen als Rotrezeptor). Pferden fehlen die Langwellen-Zapfen bei einem allerdings hohen Anteil an Mittelwellenzapfen. Sie können zwar Rot von Grau unterscheiden, die Farbe Rot aber nur als Grauton erkennen. Die Farbe Blau können Pferde dagegen wahrnehmen.

Die Welt der Pferde sieht laut Testergebnissen Blau, Gelblich-Grün und Grau aus.

Welche Bedeutung hat dies für den Umgang mit Pferden?

Die für uns Menschen so signalstarke Farbe Rot beeindruckt Pferde nicht sonderlich. Für sie ist es ein dunkelgraues Gelblich-Grün. Absperrungen sollten daher eher in Blau gehalten werden. Wäre doch mal eine originelle – und Sinn stiftende – Idee!
Im Springsport könnten Irritationen der Pferde vermieden werden, indem man eine pferdegerechte Farbumwelt aus Blau, Weiß, Grüntönen und Gelb schafft.

Testpferde konnten übrigens Grün von Grau besser unterscheiden als Gelb von Grau. Vermutlich reflektiert das Tapetum lucidum das Licht grünlich-blau und verschiebt damit das Lichtspektrum in Richtung Grün-Blau statt in Richtung Gelb.
Auch die Natur ist überwiegend grün, zumindest im Frühjahr und Sommer. Pferde müssten daher Farbeindrücke von Wiesen und Wäldern in ähnlichen Farbtönen wahrnehmen wie wir.

Blau hat beruhigenden, Grün harmonisierenden, heilenden Einfluss auf den Organismus.
Ein schönes Geschenk der Natur!