Dass Pflanzen miteinander kommunizieren, klingt erst einmal etwas kurios, und wer mit seinen Blumen spricht oder sein Basilikum streichelt, erntet gern schiefe Blicke in seiner Nachbarschaft. Oberflächlich betrachtet geben wir Pflanzen eher eine passive Rolle, dumpf vor sich hin wachsend, mal blühen sie oder liefern Früchte, aber ansonsten ist nicht allzu viel los mit ihnen. Dennoch ist die Überzeugung, dass Topfpflanzen, mit denen wir sprechen, besser gedeihen als solche, die nur gegossen werden, weit verbreitet. Und es gibt Bauern, die sicher sind, dass der Ertrag steigt, wenn sie ihre Felder mit Musik von Vivaldi oder Mozart beschallen. Pflanzen sind also keineswegs simple, passive Organismen und verfügen trotz ihrer scheinbaren Unbeweglichkeit über erstaunliche Fähigkeiten, die sie auch dringend benötigen, weil sie nicht weglaufen können, wenn es brenzlig wird.
So sind Pflanzen in der Lage, elektromagnetische Felder zu erspüren, die Schwerkraft zu erfassen und chemische Stoffe in ihrer Umwelt zu analysieren. Manche Pflanzen verfügen über Blütenheizungen, Saugfallen, Fallschirme und Samenschleudern. Sie warnen sich gegenseitig mit Duftstoffen vor Fressfeinden, locken Insekten an oder schrecken sie ab. Werden Tomaten beispielsweise von Raupen befallen, werden durch den Duftstoff Methyljasmonat benachbarte Tomatenpflanzen gewarnt oder es werden Nützlinge angelockt. Auch unterirdisch findet sehr viel Austausch statt. Es ist belegt, dass es im Boden eine Art world wide web aus Pilzen und Pflanzenwurzeln im Boden gibt. Über dieses Netzwerk tauschen Pflanzen nicht nur Nährstoffe aus, sondern auch Informationen über den Zustand ihrer Umwelt, z.B. dass das Wasser knapp wird. Vorteil der unterirdischen Kommunikation ist sicher die größere Reichweite, da sich so auch Pflanzen erreichen können, die 20 Meter voneinander entfernt stehen; über diese Distanz haben sich Duftbotschaften meist schon verflüchtigt.
Doch die Kommunikation geht noch sehr viel weiter: Bis zu 2000 verschiedene Duftvokabeln soll es im Pflanzenreich geben. So „schreit“ die Tabakpflanze nach Raubwanzen und Wespen, wenn sie von der Tabakschwärmer-Raupe befallen wird. Die Wespen helfen dann, indem sie ihre Eier in die Raupen legen, und die Wanzen saugen sie aus. Besonders gut erforscht ist die Kommunikation der Limabohne: Knabbert eine Raupe ein Blatt an, löst diese Schädigung umgehend Duftalarm aus, der auch die Nachbarpflanzen warnt. Daraufhin beginnen alle Blätter damit, Abwehrstoffe zu produzieren. Außerdem wird am Blattansatz Nektar produziert, der die Ameisen anzieht, die dann Jagd auf die Raupen machen. Und es geht noch weiter: Nach ein paar Stunden werden mit einer bestimmten Duftnote auch noch Schlupfwespen herbeigerufen, die dann ihre Eier in die Raupen legen. Wer genau die Limabohne angreift, erkennt sie am Speichel der Insekten. So ruft sie gezielt nach Raubmilben, wenn sie ein Problem mit Spinnmilben hat, und nicht nach Wespen. Auch eine Differenzierung zwischen Verwandten und Fremden ist offenbar möglich: Der Meersenf bildet besonders aggressiv Wurzeln aus, um die knappen Rohstoffe in seinem kargen Lebensumfeld zu verteidigen. Ist er jedoch von eigenen Klonen umgeben, hält er sich zurück und teilt.
Offenbar kann man vor allem von fitten Wildpflanzen viel lernen. Auf vielen Äckern scheint kulturelle Sprachlosigkeit zu herrschen und hochgezüchteter genmanipulierter Mais oder Weizen haben offenbar nicht mehr viel zu sagen. Da haben Fressfeinde leichtes Spiel!